Online-Moderation: Wie Sie mit Empathie mehr Effektivität erreichen

Von Ingrid Gerstbach. –

Alles Neue erfordert immer eine große Anstrengung und bewusstes Umdenken. Das gilt auch für die virtuelle Kommunikation: Obwohl seit 2020 mit Beginn der Corona-Pandemie sehr viel virtuell kommuniziert wird, passieren immer wieder Fehler, die vor allem auf Kosten der Effizienz gehen. Wohl jeder kennt die Online-Meetings, in denen sich die Minuten ins Endlose zu dehnen scheinen, und den Ärger und die Frustration, die damit einhergehen.

Studien bestätigen, dass die meisten Menschen einen Großteil der Online-Sitzungen als reine Zeitverschwendung ansehen.

Damit die Zusammenarbeit in einem Team gut funktioniert, braucht es vor allem eines: Vertrauen. Teams ohne Vertrauen arbeiten weder produktiv noch effizient. Dabei ist es egal, ob das Team global verteilt ist oder im selben Zimmer sitzt. In der virtuellen Umgebung ist Vertrauen sogar noch wichtiger, aber auch schwieriger herzustellen und vor allem aufrechtzuerhalten.

Der Weg zum Vertrauen führt über Empathie und eine entsprechende Kommunikation.

Denn Kommunikation ist nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Natur. Menschen gebrauchen Wörter und nonverbale Gesten, um Ideen, Gedanken und Informationen von einer Person zur anderen auszutauschen. Dafür benutzen wir verschiedene Kommunikationsprozesse, die sicherstellen sollen, dass wir uns gut ausdrücken und verstehen.

Empathie hält die Gruppe in Online-Meetings zusammen.

Nun fällt gerade in der virtuellen Welt die nonverbale Kommunikation nahezu weg – Gesichtsausdrücke, Mimik und Gestik lassen sich digital nicht vollwertig übermitteln. Auch der Tonfall wird weniger deutlich wahrgenommen und die Umgebung ist oft verschwommen. Dies führt dazu, dass Menschen viel schneller Schlussfolgerungen ziehen, die nicht unbedingt zutreffend sind.

Ingrid Gerstbach: „Es mag banal klingen, aber sich in die Lage eines anderen zu versetzen, unterstützt die Kommunikation mehr als alles andere.“

Kommt jemand zu spät zu einer virtuellen Besprechung, wird gleich davon ausgegangen, dass der Betroffene etwas anderem höhere Priorität einräumt – auch wenn vielleicht nur eine technische Schwierigkeit der Pünktlichkeit im Wege stand. Dazu kommt, dass viele Menschen gestresster sind als sonst und die Anspannungen im Allgemeinen höher als normal.

Mehr als sonst ärgern wir uns über den Kollegen, der jedes Meeting nutzt, um sein eigenes Thema in den Fokus zu stellen. Oder über die Person, die glaubt, ein wahrer Multitasker zu sein, die nur physisch anwesend ist und gleichzeitig andere Arbeiten erledigt. Oder denjenigen, der alle anderen immer übertönt. Nur ein empathischer Umgang mit den Dynamiken in einem Online-Meeting kann die Gruppe zusammenhalten und den Erfolg sicherstellen.

Es mag banal klingen, aber sich in die Lage eines anderen zu versetzen, unterstützt die Kommunikation mehr als alles andere. Wer sich zunächst überlegt, was das Gegenüber denken oder fühlen könnte, und beim Betreffenden bestenfalls noch nachfragt, trägt in hohem Maße zu gelingender Kommunikation bei und wird einfühlsamer reagieren. Nur so finden wir in Online-Meetings einen Zugang zu allen Teilnehmern.

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Virtuelle Meetings brauchen Struktur.

Neben dem Aufbau von Empathie ist eine weitere gute Hilfestellung, wenn für virtuelle Meetings immer eine Agenda und eine klare Struktur parat liegt. Gerade für den Moderator von Online-Meetings gilt es, deutlich zu machen, was auf dem Tableau steht und was von den Beteiligten erwartet wird. Diese Berechenbarkeit hilft den Teilnehmenden, sich wohler und sicherer zu fühlen. Das führt dazu, dass sie offener kommunizieren und die Atmosphäre generell lockerer wird.

Zum Schluss sei daran erinnert: Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen zurzeit mehr Fehler machen, ist hoch. Die psychischen Probleme sowie der Stress und auch die Angstzustände nehmen zu. Daher ist es kein Wunder, dass die Arbeit und vor allem die Kommunikation darunter leiden. Nachsicht ist daher angeraten, wenn Kollegen nicht so verlässlich agieren wie sonst, und beugt auch Konflikten und Missverständnissen vor.

Virtuelle Kommunikation ist nicht einfach und vor allem nach wie vor alles andere als selbstverständlich. Jeder sehnt sich nach mehr persönlichem Kontakt, aber solange wir alle auf die virtuelle Kommunikation angewiesen sind, ist es umso wichtiger, diese bewusst zu nutzen und so effektiv wie möglich zu kommunizieren.

© Portraitfotos: Ingrid Gerstbach


Ingrid Gerstbach ist Innovationsexpertin und gilt als die deutschsprachige Koryphäe der aus den USA stammenden Innovationsmethode Design Thinking.

Die studierte Betriebswirtin, Wirtschaftspsychologin und Erwachsenenbildnerin berät internationale Unternehmen und Universitäten und schreibt Kolumnen und Bücher. Ihr Buch „Die Kunst der Online-Moderation“ ist in überarbeiteter Neuauflage bei Hanser erschienen. Ingrid Gerstbach lebt und arbeitet mit ihrem Mann Peter in Klosterneuburg bei Wien.

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