Kommunikation mit Sogwirkung statt Druck: Klar, offen und wertschätzend

Von Sebastian Pflügler. –

Führung ist Kommunikation. Das mag sich selbstverständlich anhören, stellt aber eine große Herausforderung für Führungskräfte dar. Um diese Herausforderung zu meistern, ist es günstig, sie aus der Perspektive gelingender Kommunikation zu beleuchten. Wie würde diese aussehen? Was wäre anders als aktuell, was müsste mehr, was sollte weniger getan werden? Welche Erfolge würden sich einstellen, welche Misserfolge ausbleiben?

Um die Führungswirksamkeit zu erhöhen, lohnt es, auf die kommunikativen Bereiche zu blicken, bei denen die meisten Führungskräfte erfahrungsgemäß Punkte liegen lassen und dadurch ihre Kommunikation und ihr Leadership schwächen. Dabei kommt es auf die Fähigkeit und die Kunst an, mit Sog statt mit Druck zu sprechen.

Das Ziel dabei lautet, die Umsetzungsbereitschaft und die Motivation der Mitarbeiter zu gewinnen.

Wer mit Druck kommuniziert, muss unvermeidbar mit der alten Regel „Druck erzeugt Gegendruck“ rechnen. Nur wer mit Sog arbeitet, erzeugt die Bewegungskraft und Motivation, mit der Führung tatsächlich wirkungsvoll wird.

Doch wie entsteht dieser Sog? Im Wesentlichen bedeutet dies, redlich zwischen Aussage und Frage zu unterscheiden, zweiseitig zu fragen, die Freiheit der Gedanken anzuerkennen und mehr über den Weg statt über das Ziel zu sprechen.

Was klar ist, sollte klar formuliert werden.

Obwohl der fragende Ansatz in einer hyperkomplexen Welt durchaus mehr Erkenntnisgewinn verspricht, darf die Auffassung von der Führungskraft als Coach nicht überstrapaziert werden. Wer immer nur Fragen stellt, um seine Gegenüber zu empowern und zur Aktion zu animieren, vertut oft die Chance, mit eindeutigen Aussagen für Klarheit zu sorgen.

Findest du nicht auch, dass unser Projekt suboptimal gelaufen ist?“ „Meinst du, der Lenkungsausschuss wird deine Folien überzeugend finden?“ „Bist du sicher, dass dein Outfit heute noch angemessen ist?“

Der Form nach sind dies Fragen, doch im Kern laufen sie auf ein eindeutiges Statement hinaus. Manche Mitarbeiter fühlen sich manipuliert, andere nehmen den Charakter des Gesprochenen womöglich nicht ernst genug und wieder andere sehen mangelnden Mut und Führungsschwäche darin. In allen drei Fällen leidet die Glaubwürdigkeit und die Zugkraft bleibt auf der Strecke.

Warum also nicht redlicher und geradeheraus:

Das Projekt hätte in Sachen Koordination besser laufen müssen.“ „Ich finde Ihre Folien unklar, weil sie zu überfrachtet sind.“ „Dein Hoodie sieht zwar cool aus, ist aber zu leger für unseren Dresscode.“

Führen Sie mit zweiseitigen Fragen.

Stattdessen sind zweiseitige Fragen effektiver, die beide Aspekte einer Angelegenheit berücksichtigen. Das fördert das offene Denken und regt zur konstruktiven Diskussion an:

Was spricht für, was gegen das Projekt?“ „Welche Vor- oder Nachteile stehen durch die Einführung agiler Arbeitsweisen ins Haus?“ „Was hat beim Produktlaunch geklappt, und was haben wir übersehen?“

Mit diesem Verfahren sind geschlossene Ja-Nein-Fragen oder einseitige Formen, die Nachteile adressieren, natürlich nicht vom Tisch. Was eindeutig ist, muss eindeutig angesprochen werden. Wenn die Herausforderungen jedoch kompliziert oder komplex sind, fühlen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch zweiseitige Ansprache in ihrer Kompetenz ernstgenommen. Die Qualität der Fragen bestimmt die Qualität des Denkprozesses bei den Angesprochenen und dadurch die Qualität der Lösungen.

Die Gedanken sind frei. Am Ende zählt, wer mitzieht.

In Schillers Don Carlos fleht der Marquis Posa seinen König Philipp II. an: „Geben Sie Gedankenfreiheit!“ Heutzutage dürfte klar sein, dass Gedanken Privatsache sind, und dass Mitarbeiter über Produkte, Prozesse, Projekte, Ideen oder Initiativen denken können, wie ihnen beliebt. Entscheidend ist, was sie tun, wie engagiert sie mitziehen und sich für gemeinsame Absichten einsetzen. Man hält die neue Initiative für fragwürdig? Das ist vollkommen okay, sofern man alles für sie in die Waagschale wirft. Wenn sich die Vorbehalte durch ein Gespräch überwinden lassen: super! Gelingt das nicht, zählt die Handlungsebene.

Kann der Mitarbeiter für das Wohl des Ganzen über seinen Schatten springen oder wird er zum Bremser? Allein das entscheidet über den Umgang mit ihm.

Ein schlagendes Beispiel für das, was schiefgehen kann, lieferte vor einiger Zeit das frisch vom Management verabschiedete neue Vergütungssystem eines Unternehmens. Jeder Mitarbeiter durfte sich in einem Solo-Interview freimütig äußern, was ihm daran passte und was nicht. Insgeheim war die Führung guter Dinge, eine Menge Applaus einfahren zu können. Leicht absehbar, entpuppte sich die Hoffnung als Seifenblase.

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Denn wie frei konnten die Betroffenen in einer solchen Pseudoumfrage sein, und warum sollten sie ihrem Unmut oder ihren Sorgen Luft machen, wenn doch eh schon alles festgezurrt war? Kurz gesagt: Man fühlte sich veralbert. Ein kluger Dialog hätte danach gefragt, welche Konsequenz die Betroffenen daraus ziehen würden und wie umsetzungsbereit sie waren. Gehaltsabrechnungen werden nicht für wohlfeile Gedanken erstellt, sondern für Leistung, und die lässt sich auch mit abweichender Meinung bringen.

Natürlich sind die Gedanken der Belegschaft mit ihren Pros und Contras wertvolle Ressourcen, und Zustimmung ist immer besser als das innerliche Nein. Doch wenn ein Weg nach reiflichen Überlegungen und dem Abwägen aller Vor- und Nachteile erst einmal eingeschlagen wurde, ist Bekehrung fehl am Platz. Die Energie sollte besser in die Umsetzung statt ins Missionarische investiert werden. „Gelebtes Commitment bei maximaler gedanklicher Freiheit“, lautet das Führungscredo in der digitalen Ära.

Entscheidend ist, was beeinflusst werden kann.

Ein weiterer Weg, in der Kommunikation Sog statt Druck zu erzeugen, besteht darin, nicht nur auf Ergebnisse, Ziele und KPIs zu schielen. Wer die Freiheit und das Vertrauen von Selbstverantwortung und Selbstorganisation gewährt, sollte auch das echte Bemühen würdigen:

Welche Entscheidungen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wann und wie getroffen? Welche Hürden standen dem Erfolg im Weg, und wie wurde mit ihnen umgegangen?

Denn in einer komplexen Welt können die Mitarbeiter nur beeinflussen, was sie tun, was sie entscheiden und wie sehr sie sich hineinknien in ihre Aufgaben. Entsprechend muss auch das besprochen und honoriert werden. Unter komplexen Bedingungen lassen sich gute Ergebnisse mit wenig Einsatz und schlechte Resultate mit viel Einsatz erzielen. Wo klar wird, dass engagierte Teammitglieder alles Denkbare eingesetzt haben, auch wenn das Ergebnis den Vorgaben nicht entspricht, sollten Führungskräfte sich dennoch wertschätzend und dankbar zeigen, um in der Folge gemeinsam Entwicklungsmöglichkeiten zu erörtern.

Auf diese Weise wird die intrinsische Motivation nicht nur erhalten, sondern sogar gestärkt. Kommunikation mit Sog basiert nicht nur auf Worten, sondern ebenso auf schlüssigem Handeln. Dabei heißt, wirksam zu kommunizieren, nicht, weichgespült zu reden, sondern jedem im Dialog das zu geben, was zu guter Leistung nötig ist. Reichen freundliche Impulse nicht aus, darf es gerne auch eine unmissverständliche, aber menschlich wertschätzende Ansage sein.

© Portraitfoto: Sebastian Pflügler


Sebastian Pflügler ist Experte für Kommunikation, Kollaboration und Führung im digitalen Zeitalter und Begründer des Konzeptes New Era Communication. Er ist international als Berater, Coach und Speaker tätig.

Sein Buch Mitarbeiter führen in der digitalen Ära (Werbung) ist bei Redline erschienen: Homeoffice, Onlinemeetings und New Work erobern die Arbeitswelt. Digitalisierte Prozesse verändern die Unternehmensstrukturen. Führungskräfte stehen vor ganz neuen Fragen: Wie organisiere ich mein verstreutes Team? Wie erreiche ich Mitarbeiter? Wie kann ich die Motivation aus der Ferne hochhalten? Wer im digitalen Zeitalter weiterhin effizient führen möchte, darf etwa die menschliche Seite nicht vernachlässigen, denn vielen Mitarbeitern fehlt es in dieser VUCA-Welt oft an Sicherheit und nötiger Orientierung. Sebastian Pflügler zeigt in seinem Buch, wie Führungskräfte dem »neuen Normal« in der Arbeitswelt gerecht werden können.


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