Die Kunst des Storytellings nach Dale Carnegie: Die magische Formel, um mit Geschichten zu begeistern

Von Uwe Göthert. –

Der Geschäftsmann Dale Carnegie erkannte Storytelling früh als Erfolgsgeheimnis. Ein Großteil seiner Ergebnisse basiert auf seiner Kunst, meisterhafte Geschichten zu erzählen, mit ihnen Visionen zu vermitteln, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu inspirieren und Kunden zu begeistern. Noch heute profitieren Unternehmen, Marken und Referenten von der Wirkung einer guten Story. Aber wie baut sich ein kraftvolles Szenario auf? Welche Elemente transportieren Botschaften nachhaltig? Uwe Göthert, seit 2004 CEO von Dale Carnegie Deutschland, blickt auf die erprobte Formel.

„Plötzlich warten alle oben ohne.“ Mit diesem abrupten Einstieg weckt jeder Erzähler sofort die Neugier und das Interesse des Publikums. Wer steht wo? Warum nackt? Und was hat dazu geführt? Die Einleitung zu überspringen und gleich mit der narrativen Tür ins Haus zu fallen, repräsentiert nur eine der unzähligen Techniken des Storytellings in Texten, auf der Bühne oder im Marketing. Je nach Anlass, Zielgruppe, Message oder Mentalität gibt es individuelle Leitfäden, Tipps und Systematiken, die Storytelling zu einem wirksamen Mittel auf Bühnen und Podien machen.

Dass gelungene narrative Vorträge das Publikum begeistern, ist unbestreitbar. Menschen lieben Geschichten seit Urzeiten. Redner und Unternehmen haben früh erkannt, dass sich Inhalte, Empfehlungen und Botschaften, eingepackt in Erzählungen, wesentlich leichter transportieren lassen und nachhaltiger im Kopf der Rezipienten hängenbleiben. Wer erinnert sich schon mit Begeisterung an einen trockenen Maßnahmenkatalog, den ein Vertriebsprofi auf der Bühne durchdekliniert hat? Wer zitiert leichtfüßig eine vorgelesene Kostenaufstellung? Und wer empfindet Spaß, Erleichterung oder sogar Euphorie bei einem Monolog über zögerlich wachsende Umsatzzahlen?

Berühren, binden und begeistern

Dagegen erreichen Rednerinnen und Redner, die ihre Inhalte in mitreißende Geschichten verpacken, ihr Publikum auf mehreren Ebenen. Sie berühren Menschen emotional und rational. Storys wecken Neugier und Bedürfnisse, bündeln und erhöhen Aufmerksamkeit. Rezipienten identifizieren sich schneller mit dem Geschehen, erinnern sich länger und tragen einprägsame Verwandlungen gerne weiter. Manchmal braucht es überzeugende und emotionale Szenen, um die Relevanz und Brisanz der Inhalte zu erkennen. Humoristische Anekdoten, aufregende Reportagen oder auch Berichte von Schmerz und Schwäche stärken das Vertrauen sowie die Bindung zum Redner und machen nüchterne Fakten greif- und erlebbar.

Steht zum Beispiel jemand auf einer Bühne vor lauter Führungskräften und will zum Thema Vorbildfunktion sensibilisieren, reicht dafür natürlich im Grunde ein einfacher Appell. Nachhaltiger verankert sich das Thema aber etwa mit folgender Geschichte: „Vor Kurzem war ich Skifahren in Österreich – unter Pandemiebedingungen. Das bedeutet: Maskenpflicht am Skilift. Anfangs trugen die Liftbetreiber vorbildlich ihren Atemschutz. Auch die Fahrgäste hielten sich während des Einstiegs brav an diese Vorgaben. Später sahen die Helfer am Lift die Maßnahme nicht so eng und nahmen ihre Masken ab. Stück für Stück orientierten sich die Urlauber erneut an den Betreibern und zogen nach. Plötzlich warteten alle oben ohne – niemand trug mehr eine Maske. Die Erkenntnis: Vorbildfunktion funktioniert – im Positiven wie im Negativen. Menschen orientieren sich am Verhalten von Autoritäten.“

Grundstruktur für Glaubwürdigkeit, Aufmerksamkeit und Inspiration

Uwe Göthert: „Mit einer spannend komponierten Unternehmensstory verankern Sprecher und Marke sich schneller, leichter und zuverlässiger im Gedächtnis von Kunden, Medien und Öffentlichkeit.“

Wer diese Geschichte mit Emotion, Humor und narrativem Talent rüberbringt, verankert die Botschaft wesentlich nachhaltiger in den Köpfen des Publikums. Auch die Aufnahmebereitschaft erhöht sich. Mit dieser persönlichen Erfahrung des Referierenden, aus der Ich-Perspektive erzählt, zieht der Redner andere ins Geschehen hinein. Für eine gelungene Geschichte können Erzähler sich an die einfache und erprobte „Magic Formula“ von Dale Carnegie halten. Sie gibt sowohl im Großen, zum Beispiel als Brand Story, aber auch im Kleinen wie etwa für einen Social-Media-Post, praktische Orientierung für einen gelungenen Aufbau: Vorfall + Handlung + Nutzen. Dieser Dreiklang liefert die Grundstruktur für die drei Hauptabsichten: Glaubwürdigkeit, Aufmerksamkeit und Handlungsimpuls. Dank dieser Formel kann jeder eine gelungene Story kreieren, die andere staunen lässt oder zu eigenen großen Taten inspiriert. In der Praxis funktionieren die Umsetzung wie folgt:

Techniken für wirkungsvolle Geschichten

1. Opener: Eine Begebenheit für mehr Aufnahmebereitschaft

Einprägsame Geschichten funktionieren dank einer Eröffnung, die berührt. Der Opener kann ergreifen, anrühren, überraschen, irritieren, amüsieren oder aufregen. Profis berichten zum Beispiel von einer für die Botschaft relevanten, lebendigen und persönlichen Erfahrung. Die Macher der James-Bond-Filme beherrschen den emotionalen Einstieg aus der Ich-Perspektive des Helden meisterhaft. Eine persönliche Begebenheit – ob als Actionheld oder am Skilift – entfacht zuverlässig die Aufmerksamkeit des Publikums. Sie legt den Grundstein für den Standpunkt der folgenden Geschichte. Momente von Heldentum bis Verzweiflung fesseln Menschen und machen sie für die kommenden Aussagen empfänglich. Die Zuhörer folgen, weil sie sich mit der Situation identifizieren und wissen wollen, wie es weitergeht. Gleichzeitig bewegt der Redner oder die Rednerin sich mit einem persönlichen Einstieg auf sicherem Terrain, ringt weder nach Worten noch Ideen. Lange Einleitungen und aufwärmende Erklärungen à la „Es begab sich zu der Zeit …“ können sich Referenten sparen. Wer direkt in die Szene reinzoomt, zieht das Publikum schneller ins Geschehen.

2. Vorfall: Authentisch durch Fakten und Beweise

Inhaltlich geht’s weiter mit einem Problem. Eine Hürde stellt sich in den Weg, eine Störung durchkreuzt die Pläne. Dabei schweben über dem Auditorium oft viele Fragen: Warum sollte ich zuhören? Warum sollte ich daran glauben? Wer bestätigt das? Referenten formulieren daher immer erst die Tatsachen, bevor sie die Botschaft erörtern. Fakten, Beispiele und Statistiken unterstützen die Aussage über die Notwendigkeit der Veränderungen. Beweise sind eines der wichtigsten Instrumente, wenn wir jemanden überzeugen wollen. So können Zuhörer zusätzlich zu ihrer emotionalen Reaktion eine logische Antwort finden. Vortragende erklären, was die Fakten für sie bedeuten und woran sie glauben. Dabei verwenden sie Beispiele und Analogien aus dem wirklichen Leben.

3. Handlung: Anschaulich, strukturiert, kompakt

Der besondere Vorfall beweist, dass eine Veränderung oder ein Richtungswechsel nötig ist. Die persönliche Erfahrung zahlt somit besonders auf die Handlung der Geschichte ein. Um das Geschehen voranzutreiben, listet der Referierende nun auf, welche Maßnahmen der Protagonist umgesetzt hat, um das Problem zu lösen oder dem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Das legt die Basis, um auch dem Publikum klare Schritte für diese Situation zu empfehlen. Erfahrene Rednerinnen und Redner beschreiben die Szenen chronologisch, so wie sie sich zugetragen haben, mit allen wichtigen klärenden Details. Um andere von den eigenen Worten sicher überzeugen zu können, bricht der Vortragende die Botschaft auf die Quintessenz herunter.

4. Nutzen: Was habe ich davon?

Runde Geschichten enden mit einer Lösung – meistens einem Happy End. Daher rücken die Erzähler besonders den Zweck der Aktivitäten ins Rampenlicht. Sie verknüpfen die spezifischen positiven Maßnahmen mit dem konkreten Nutzen. Das ist entscheidend: Alle Episoden müssen mit dem Mehrwert der Handlungen oder des gelösten Problems abschließen. Mit diesem Ansatz lässt sich jede sinnvolle Diskussion optimieren und emotionale Konfrontationen minimieren.

Uwe Göthert: „Manchmal braucht es überzeugende und emotionale Szenen, um die Relevanz und Brisanz der Inhalte zu erkennen.“

Bei solchen Geschichten geht es nicht immer um Millionenprojekte. Auch kleinste Begebenheiten entpuppen sich manchmal als charmante Narrative – von entzückenden Kundenerlebnissen, exotischen Vorhaben bis zu persönlichen Fettnäpfchen oder der holprigen Wahl des Unternehmensstandortes. Manchmal müssen Menschen nur ein bisschen graben, um den Wert einer Geschichte zu erkennen. Der Salzhersteller Delidia zum Beispiel nutzt die Kraft des Storytellings bei seiner Firmengeschichte. Auf seiner Website lesen Interessierte, wie der Gründer zu Anfang 25 Kilo weißes Gold mit dem Kombi seiner Mutter rumkutschierte und diese über die Salzlake im neuen Auto nicht gerade erfreut war. Die Geschichte geht weiter mit meterhohen Stapeln an Salzpaketen, gepackt am privaten Küchentisch, und 17 Kilo Risottoreis im Schlafzimmerschrank. Mit diesen bildlichen Szenarien, die Konsumenten immer wieder zum Schmunzeln bringen, wächst neben dem Unternehmen auch die eingängige Geschichte.

Die eigene Unternehmenshistorie als Brand Story aufzubereiten, lohnt sich besonders – und macht außerdem Spaß. Wer im Fahrstuhl, auf der Bühne oder in einer Onlinekonferenz in wenigen Sätzen die Entwicklung seines Business oder seiner Karriere umreißen will, spart sich lieber so manche Jahreszahl. Besser er oder sie verpackt den Werdegang als emotionale Reise, der andere gerne lauschen. Mit einer spannend komponierten Unternehmensstory verankern Sprecher und Marke sich schneller, leichter und zuverlässiger im Gedächtnis von Kunden, Medien und Öffentlichkeit.

Nachfühlen und mitfiebern

Ob sich jemand in langer Vorbereitung eine gute Story zurechtlegt oder in Gesprächen, Meetings und Interviews mit narrativen Elementen improvisiert – der Schlüssel für effektives Storytelling bleibt die Kombination aus persönlichen Elementen, Fakten, klarer Struktur und hohem Nutzen. Erfahrene Wortfans definieren, wer, was, wann, wo und warum macht. Sie bieten zudem Animation und stimmliche Abwechslung, halten die Geschichte kompakt und stellen den Nutzen prominent in den Vordergrund. „Ihr Ziel ist es, dass Ihre Zuhörer sehen, was Sie gesehen haben, hören, was Sie gehört haben, fühlen, was Sie gefühlt haben.“ (Dale Carnegie)

© Fotos: Uwe Göthert


Uwe Göthert ist seit 2004 Geschäftsführer von Dale Carnegie Deutschland. Im internationalen Führungszirkel von Dale Carnegie forciert der erfahrene Unternehmens­entwickler disruptive Innovationen und zukunftsweisende Strategien. Göthert steuert komplexe Weiter­bildungs­projekte von Marktführern unterschiedlicher Branchen, die sich in Anzahl der Teilnehmer, beteiligten Länder und angewandten Sprachen individuell skalieren lassen.

Seine Arbeits­schwerpunkte decken sich mit den Themen, die Menschen in großen und mittelständischen Betrieben herausfordern. Als Berater für international tätige Unternehmen liegt sein Fokus auf Verkauf, Führung, Kommunikation, Präsentation sowie Innovations- und Changemanagement – mit dem Ziel, eine konsistente globale Firmenkultur zu etablieren und messbare, nachhaltige Ergebnisse zu produzieren. Seine Kunden bestätigen den gemeinsamen Erfolg.


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