Dr. Renée Moore ist Insiderin der Rednerbranche und steht als renommierte Rednerin international auf der Bühne – auch gemeinsam mit Größen wie Brian Tracy und Prof. Dr. Lothar Seiwert. Aus eigener Erfahrung kennt Sie die Business-Systeme und die Faktoren für eine gute Positionierung am Rednermarkt. Denn dieser ist umkämpft, und in der Branche, deren Mitglieder sich „Speaker“ nennen, kommt es nicht nur auf Rhetorik an.
In Deutschland und international gibt es viele professionelle Redner – ein Beruf, mit dem manche sehr viel und einige nicht so viel Geld verdienen. Warum gibt es diese Unterschiede?
Mit diesem Thema habe ich oft zu tun, und für diese Unterschiede gibt es verschiedene Gründe. Der Hauptgrund ist die richtige oder falsche Positionierung. Die richtige Positionierung ist die Basis, um als Vortragsredner gut verdienen zu können. Hinzu kommt Erfahrung.
Was machen manche Redner hier geschickter als andere?
Es kommt darauf an, sich als Experte zu positionieren. Buchveröffentlichungen können dabei helfen – die Begriffe Autor und Autorität hängen eng zusammen. Ein Redner, der schon ein oder mehrere Bücher veröffentlicht hat, wird am Markt eher als glaubwürdig und als Experte wahrgenommen. Aber heute gibt es verschiedene Wege, die eigene Glaubwürdigkeit auch ohne ein Buch zu steigern, z. B. mit einer Social-Media-Präsenz, entsprechenden „Followers“ und Kundenstimmen.
Wichtig bei der Positionierung ist außerdem, dass ein Redner um seinen Marktwert weiß. Oft erkennen Redner nicht, welchen Nutzen und damit welchen Wert sie ihren Zuhörern bieten – das eigene Potenzial wird oft nicht gesehen. Dies ohne Hilfe zu erkennen, ist meist nicht einfach.
Mir fällt dabei auch auf: Wenn es um das eigene Potenzial geht, gibt es Unterschiede in den verschiedenen Ländern. In Deutschland wird häufig klein gedacht, nach dem Motto „gut ist gut genug“ oder „schenke dir selbst nicht so viel Aufmerksamkeit“. Solche Glaubenssätze führen zu „kleinen“ Positionierungen. Zuhörer wollen aber große Persönlichkeiten sehen. „Klein“ zu denken und eine „große“ Persönlichkeit zu sein, passen einfach nicht zusammen.
Sich als Experte zu erkennen zu geben ist alles, um am Rednermarkt erfolgreich zu sein?
Nein, ein erfolgreicher Redner muss außerdem seine idealen Kunden kennen und seine Positionierung auf diese ausrichten. Und ganz wichtig: Er muss sich auf Ergebnisse positionieren und nicht auf Werkzeuge. Der Nutzen muss dem Kunden klar werden – z. B. motivierte Mitarbeiter, mehr Produktivität, mehr Erfolg in der Führung. Hier machen viele Vortragsredner einen Fehler, indem sie versuchen, Werkzeuge zu verkaufen.
Haben Sie ein Beispiel für ein Werkzeug?
Rhetorik. Sie ist ein Werkzeug, das etwas bringt, das wir nutzen, aber sie ist nicht das Ergebnis.
Wenn ein Vortragsredner ein schwieriges Thema hat, das zwar einen Nutzen bringt, aber nicht positiv belegt ist – z. B. Trauermanagement im Unternehmen –, wie kann er dieses Thema verkaufen?
Trauermanagement ist ein Werkzeug. Ich würde es „auf den Kopf stellen“ und das Ergebnis ansehen, das damit erreicht wird. Was wollen die Leute? Sie wollen schwierige Zeiten erfolgreich durchstehen, und sie wollen glückliche und leistungsfähige Mitarbeiter und Kollegen haben.
Meine Kunden haben eher positive Themen, aber es gibt auch einzelne, deren Themen auf den ersten Blick langweilig wirken. Hier geht es darum, das Ganze interessant zu machen und sich darauf zu konzentrieren, was Kunden haben wollen: die großen, wichtigen Ergebnisse.
Wenn ein Experte noch am Anfang seiner Rednerkarriere steht, was empfehlen Sie?
Ein Redner mit wenig Erfahrung verdient leider noch nicht so viel. Wichtig ist, dass er oder sie Referenzen sammelt – sie sind ein Teil der Positionierung. Darum empfehle ich: Sobald ein Redner eine gute Keynote hält, sollte er unbedingt sofort nach dem Vortrag den Kunden um eine Referenz bitten. Davon kann ein Redner nie zu viele haben.
Bei bezahlten Veranstaltungen ist es zwar in der Regel nicht möglich, aber z. B. bei Kongressen können Sie meist Ihr eigenes Kamerateam mitbringen und Teilnehmer um Video-Referenzen bitten. Diese Arbeit – nach Kundenstimmen zu fragen – ist ein Teil des Business-Systems eines Redners.
Sie sagen „Business-System“: Wovon leben Redner hauptsächlich?
Die meisten Vortragsredner haben nebenbei ein anderes Geschäft, z. B. als Trainer oder Coach. Nur ein kleiner Teil der Redner kann ausschließlich von seinen Vorträgen leben – das sind die Top-Leute, wobei auch diese oft nebenbei ein weiteres Business mit Videoprodukten, Workshops, Online-Kursen und Büchern betreiben.
Warum wollen Sie kein Geld mit Büchern verdienen?
Ein Buch hilft einigen Rednern, am Markt glaubwürdiger zu wirken. Aber es geht auch ohne: Ich bin seit mehr als zehn Jahren ohne Buch erfolgreich, und zwar durch meine Positionierung als Expertin. Ich verkaufe lieber Workshops. Von Büchern können nur wenige Autoren leben. Bücher zu verkaufen ist zwar gut, ich finde aber, Größeres zu verkaufen ist besser.
Wie kommt ein Redner an Kunden – oder umgekehrt gefragt: Wie finden Unternehmen den für ihre Veranstaltung passenden Vortragsredner?
Heute ist es entscheidend, dass ein Redner im Internet gut positioniert ist und leicht gefunden wird. Allerdings ist es für professionelle Redner immer schwieriger, Kunden zu finden, denn die Konkurrenz wächst. Akquise ist daher ebenfalls sehr wichtig. Gleichzeitig legen manche Firmen bei der Entscheidung für einen Redner größeren Wert auf einen niedrigen Preis – sie wollen einen Vortragsredner, keinen Profi. So können zwar Redner mit niedrigem Honorar Aufträge bekommen, insgesamt drücken diese Redner aber die Preise am Markt. Aber die gute Nachricht ist: Es gibt immer Unternehmen, die den besten seines Fachs auf der Bühne sehen wollen.
Den Unternehmen empfehle ich, möglichst ein Video mit einem Vortrag oder einem Teil eines Vortrags anzusehen – nicht nur den sogenannten Speakertrailer, sondern eine echte Rede. So können sie schnell erkennen, ob die Person und ihr Vortragsstil zum Unternehmen passen.
Bekannte Redner haben Verträge mit renommierten Redneragenturen, obwohl sie diese vielleicht nicht bräuchten. Unbekannte Redner bräuchten eine Redneragentur, werden aber oft nicht aufgenommen. Was also tun?
So einfach ist es nicht – auch bekannte Redner müssen akquirieren. Oft gibt es Agenturen, die beispielsweise nur zehn oder zwanzig Redner in ihrer Kartei haben wollen. Das macht es gerade einem unbekannten Redner zusätzlich schwer, einen Vertrag zu bekommen. Ich kann jedem Redner empfehlen, sich gut zu positionieren, das ist der Schlüssel.
Was macht einen Vortrag für Sie erfolgreich?
Eine Rede darf nicht nur den Kopf ansprechen, sie muss auch die Herzen der Zuhörer erreichen. Das heißt, eine Keynote muss emotional aufgebaut sein. Sie darf nicht nur Zahlen, Daten, Fakten enthalten, sie muss auch Inhalte liefern, die die Menschen anwenden können – in ihrem privaten oder beruflichen Leben. Sie muss die Situation und die Probleme des Publikums ansprechen und letztendlich zu Ergebnissen für die Menschen führen.
Wie machen Sie das konkret?
Meine Keynotes enthalten immer Übungen. Bei einem Vortrag zum Thema Unternehmertum geht es beispielsweise um das zuvor genannte „Klein-denken“. Ich erzähle emotionale Geschichten und eigene Beispiele, so dass die Zuhörer erkennen, dass es um ihr Problem geht. Dazu stelle ich unter anderem Fragen wie: „Sie haben einen besonders attraktiven Kunden gewonnen und einen äußerst lukrativen Vertrag unterzeichnet. Was hat sich in Ihrem Kopf verändert, damit Sie diesen Kunden gewinnen konnten?“ Hier arbeite ich außerdem mit Visualisierungen und mit Geschichten. Dann folgt z. B. eine Übung, so dass die Zuhörer ihre eigenen Glaubenssätze identifizieren können. Hinderliche Glaubenssätze können losgelassen werden, um anschließend Ziele zu setzen.
Oft beginne ich meine Reden auf diese Weise. Die Zuhörer lernen dadurch schnell meinen Arbeitsstil kennen, sie machen eine konkrete Erfahrung und folgen mir weiter durch den Vortrag. Es dauert nur zehn Minuten, bis die Menschen die ersten Ergebnisse haben.
Wenn jemand nicht Profiredner ist, sondern z. B. mittlere Führungskraft, und er eine wichtige, aber unangenehme Entscheidung vor seiner Belegschaft verkünden muss: Was empfehlen Sie ihm für seine Rede?
Das kommt auf die Situation an. Aber wenn es möglich ist, hilft es vor allem, offen zu sein. Die Rede sollte außerdem emotional und persönlich sein, und ich empfehle, neben den unangenehmen Tatsachen auch – wenn vorhanden – die positiven Seiten aufzuzeigen, so dass die Menschen ihre eigenen Möglichkeiten erkennen.
© Interview: Rhetorikmagazin, Christian Bargenda
© Fotos: (1), (2): Joerg Kropp. (3): Katarzyna Ceglowska. Titelfoto, (4): Dr. Renèe Moore