Ein Fachbeitrag der Sprach- und Sprechwissenschaftlerin Verena Arnhold. –
Sprechen ist Hochleistungssport. Vor allem, wenn Sie es sechs bis acht Stunden am Tag tun. Ihre Stimmbänder bewegen sich dabei ein paar Kilometer.
Genauso, wie Sie Ihren Körper aktivieren, trainieren und ausruhen, sollten Sie auch gut achtgeben auf den Muskel Stimme.
Denn die Stimme ist der hörbare Teil der Körpersprache und hat folgende wichtige Funktionen:
- Stimme zeigt Ihre individuelle Persönlichkeit
- Stimme vermittelt Informationen, Emotionen und Stimmungen
- Stimme offenbart Sympathien und Antipathien
- Und ganz wichtig: Stimme überzeugt – oder auch nicht, je nachdem, wie geschickt Sie es anstellen.
Was Sie bewirken, wenn Sie „unstimmig“ sind
Wenn Sie möchten, dass Ihr Publikum in gute Stimmung kommt, nicht verstimmt wird sondern Ihnen zustimmt, sollten Sie selbst stimmig sein: Ihre Stimme, Ihre Körpersprache und Ihre Redeinhalte sollten zusammenpassen.
Wenn Sie vor körperlicher und stimmlicher Anspannung zu Beginn des Vortrags eine Grabesstimme zum Besten zu geben, werden Sie wahrscheinlich kaum überzeugen (es sei denn, Sie sprechen bei einer Beerdigung). Der Satz „Ich freue mich, hier bei Ihnen zu sein!“ braucht zumindest ein Lächeln in der Stimme. Auch wirkt eine Serie von Räusperern bei dem Satz „Ich nehme Sie mit in spannende 60 Minuten, die wie im Flug vergehen werden.“ nicht besonders stimmig.
Zum einen können unstimmige Botschaften entstehen, mit der Folge, dass Ihre Rede unglaubwürdig und nicht überzeugend wirken könnte. Zum anderen werden die Gehirne der Zuhörer vom Inhalt abgelenkt, da sie beginnen, sich mit den Unstimmigkeiten zu beschäftigen. Wenn Sie also Ihren Inhalt beim Zuhörer gut platzieren und damit überzeugen möchten: Seien Sie unbedingt stimmig.
Wie können Sie Stimmigkeit erreichen?
Menschen haben ein unglaublich feines Gespür für die Unstimmigkeiten bei Mitmenschen. Diese „Un-stimmig-keiten“, wie das Wort bereits beinhaltet, zeigen sich sehr stark in der Stimme. Vieles läuft dabei unbewusst ab, und je kleiner Muskeln im Körper sind, wie zum Beispiel die Stimmmuskeln, desto eher werden sie von subtilen Faktoren beeinflusst, die sich nicht oder nicht leicht willentlich steuern lassen.
Wenn Sie nicht von dem überzeugt sind, was sie sagen, oder wenn Sie unsicher sind, ob sie gut ankommen oder mit dem Publikum klarkommen werden, steigt die Spannung im Nervensystem und in den Muskeln. Denn Ihre eigenen negativen Gedanken, Ihr „innerer Film“, beeinflussen sofort Ihren Körper und damit auch Ihre Stimme. Es entstehen Nervositätsspannungen: Ihr Körper geht in den sogenannten Fluchtmodus und spannt sich an.
Umgekehrt können Sie auch positiven Einfluss auf Ihr Äußeres, Ihren Körper nehmen, nach dem Motto: „Tu so, als ob du glücklich wärst, und du wirst es sein.“ Wenn Sie an etwas Schönes denken, verändert sich Ihre innere Einstellung. Wenn Sie sorglos und glücklich sind, ist Ihr Körper oft automatisch in der sogenannten „Wohlspannung“. Sie fühlen Sich dann wohl und sind stimmig.
Sie können sich von Innen nach Außen in die Stimmigkeit bzw. Wohlspannung hineinbringen. Nur ist dieser Weg häufig nicht einfach, wie viele Redner wissen. Denn Ängste liegen oft tief und der negative innere Film arbeitet stark. Zudem laufen diese Mechanismen oft nicht bewusst ab, es fehlt an bewusster Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung.
Oder Sie gehen den umgekehrten Weg: Sie können auch von Außen nach Innen in die Wohlspannung hineinkommen. Das kann der schnellere und einfachere Weg sein.
Wie bringen Sie sich in die wichtige Wohlspannung?
Wohlspannung bedeutet ein Minimum an Spannung im Körper zu haben, aus der heraus die Stimme optimal arbeiten und klingen kann. Denn die Stimme ist ein feines Netz aus Muskeln, das Teil der Gesamtspannung des Körpers ist. Arbeiten Sie bereits in der Redevorbereitung bewusst mit Ihrem Körper? Wenn nicht, verschenken Sie eine Menge Ihrer Potentiale und Energien.
Stellen Sie sich jetzt bitte hin. Ja, bitte stehen Sie auf und machen Sie mit. Denn Sie können die Dinge am besten erfahren, wenn Sie direkt mit Ihrem Körper und Ihrer Stimme arbeiten.
Tun Sie jetzt das, was Sie schon morgens nach dem Aufstehen, vor dem Vortrag im stillen Kämmerlein oder auch in der Minute, bevor Sie vor dem Publikum anfangen zu sprechen, tun sollten: Erst hinstellen, nichts sagen und sich dabei einen Moment lang nur auf den eigenen Körper konzentrieren.
Bevor Sie nun weiterlesen, nehmen Sie bitte bewusst wahr, wie Sie gewohntermaßen stehen. Nehmen Sie sich dafür etwa eine Minute Zeit.
Nach dieser Minute:
Stellen Sie sich jetzt bitte hüftbreit hin, Gewicht auf beide Beine verteilt.
Wenn Sie jetzt die Knie locker lassen, merken Sie, dass sich Ihr Gewicht mehr auf dem ganzen Fuß verteilt. Nehmen Sie den Boden gut war. Dadurch vertieft sich Ihre Atmung. Ihr unterer Rücken begradigt sich und es sind weniger Spannungen in Ihrem Oberkörper spürbar.
Richten Sie sich auf. Lassen Sie den Bauch, die Schultern, die Arme und die Hände locker. Die Arme dürfen von den Schultern her ganz gelöst rechts und links neben Ihrem Oberkörper hängen. Das ist vielleicht zuerst ungewohnt für Sie, wirkt aber sehr wohlgespannt und souverän. (Sobald Sie sprechen, kommt die spontane Gestik direkt hinzu.)
Wenn Sie nun Ihre Gesichtsmuskeln aufmerksam wahrnehmen, werden Sie eventuell feststellen, dass Ihr Unterkiefer nicht locker ist. Lassen Sie ihn los. Das hat direkte Auswirkungen auf Ihre Hüfte und Ihre Stimme. Das Ziel bei all dem ist, dass Sie Spannungen loswerden.
Die Zunge liegt breit und gelöst am Mundboden.
Jetzt achten Sie auf Ihren Atem. Er sollte im Bauch, in den Flanken und auch im unteren Rücken, quasi in der „Rundumweite“ gut spürbar sein (nicht so sehr im Brustraum). Lassen Sie den Atem über die Weite der Nase leicht und tief in Ihren Körper hineinfallen, als ob Sie einen angenehmen Geruch einatmen würden.
Nehmen Sie jetzt wahr, was sich verändert hat. Befinden Sie sich nun stärker in der Wohlspannung?
Wenn Sie jetzt anfangen zu sprechen, ist Ihre Stimme bereit. Sie brauchen sich nicht zu räuspern, Ihre Stimme klingt angenehm und laut und macht direkt einen starken und überzeugenden Eindruck.
Nützliche Aktivierungsübungen für Atem und Stimme
Die Stimme und die damit verbunden Muskeln brauchen, gerade morgens, ein wenig Zeit um auf „Betriebstemperatur“ zu kommen. Daher ist es sinnvoll, diese wichtigen Muskeln gezielt zu lockern und zu aktivieren.
Mit Hilfe der gerade absolvierten Übung haben Sie bereits eine gute Körperspannung und Körperhaltung gefunden. Das ist die Basis. Aktivieren Sie jetzt Ihr Zwerchfell. Das Zwerchfell – zwischen Brust- und Bauchraum – ist Ihr Hauptatemmuskel. Indem Sie, quasi wie ein Hund, durch die Nase ein und ausatmen, muss Ihr Zwerchfell fleißig arbeiten. „Schnüffeln“ Sie jetzt in Ihrem Tempo, gerne etwas schneller, ein und aus.
Dabei bemerken Sie, wie der Bauch, die Flanken und der Rücken in der Mitte Ihres Körpers arbeiten. Diese spürbaren Bewegungen, diese Atemspannkraft ist der Antrieb für Ihre Stimme. Nur wenn der Atem gut aktiviert ist, können Sie ohne Anstrengung und laut sprechen. „Schnüffeln“ Sie jetzt bitte noch einmal.
Ein gutes Sprechtempo hat ebenfalls viel mit guter Atemaktivierung und einem guten Atemrhythmus zu tun. Bitte probieren Sie es jetzt direkt aus:
Sprechen Sie 5 Mal ein „ß“. Artikulieren Sie gut, nicht zu leise. Beim „ß“ spannt sich jedes Mal Ihr Bauch spürbar an. Achten Sie zwischen den „ß“ in den Pausen darauf, dass sich Ihre Bauchmuskeln auch wieder entspannen bzw. abspannen.
Auf dieses „Abspannen“ sollten Sie unbedingt beim Sprechen achten. Lassen Sie beim „Abspannen“ auch die Schultern und Arme immer wieder locker. Genauso wie die Arme fallen, fällt auch die Sprechmelodie: Zum Punkt oder Komma hin senkt sich Ihre Stimme. Sie bilden also kürzere Sprecheinheiten und Sätze, und Sie geraten dadurch nicht in „Atemnot“ (Schnappatmung). Atmen Sie hin und wieder bewusst durch die Nase, denn das aktiviert Ihr Zwerchfell mehr als die Atmung durch den Mund. Sie kommen besser in die „Tiefatmung“ (Bauchatmung) und die wichtige Wohlspannung sowie Atemspannkraft.
Probieren Sie es jetzt mit einem Satz oder kurzen Text aus: „Einen schönen guten Tag. Ich begrüße Sie – und erzähle Ihnen jetzt ein wenig über das Thema …“
Diese Dinge können Sie immer während der Rede beachten:
- Ist Ihr Körper (noch) in Wohlspannung?
- Lassen Sie Ihre Atemmuskeln locker und nehmen Sie die Bewegungen wahr?
- Atmen Sie auch durch die Nase in die Tiefatmung?
- Bilden Sie kurze Sätze und machen Sie Pausen?
- Wie klingt Ihre Stimme?
Nachdem Sie Ihren Atem aktiviert haben, gehen Sie nun an die Stimmaktivierung heran. Räuspern Sie nicht, das würde Ihre Stimmmuskeln verkrampfen und strapazieren. Summen Sie lieber, ganz leicht und leise. Auf diese Weise machen Sie ganz sanft Ihre Stimmmuskeln „warm“. Vergessen Sie den Leistungssportler nicht, der z. B. seine Beinmuskeln aufwärmt. Beim Sprechen ist es nicht anders: Wenn Sie sich aufwärmen und dabei Ihren Körper in Wohlspannung bringen, sprechen Sie aus einer Tonlage heraus, die für Sie selbst entspannt ist und für den Zuhörer gut klingt.
Was tun, wenn die Stimme streikt?
Wenn sich Ihre Stimme nach dem Vortrag angestrengt anfühlt, Sie in höherer Lage sprechen oder gar heiser sind, ist es immens wichtig, die in diesem Beitrag genannten Hinweise zu beachten und umzusetzen. Wenn Ihre Stimme Ihnen bereits schon einmal den Dienst verweigert hat, dann hilft dieser stimmliche „Notfallkoffer“:
- Machen Sie so oft Sie können Stimmruhe (gar nicht sprechen!).
- Entspannen Sie Ihren Körper.
- Inhalieren Sie und pflegen Sie Ihre Stimme mit Salbei und Ähnlichem.
- Trinken Sie viel.
- Achten Sie auf feuchte Raumluft.
- Atmen Sie öfter über die Nase als über den Mund.
- Machen Sie gezielte Stimmbildung, bestenfalls mit einem Stimmcoach.
Ihre Stimme und Ihr Publikum werden es Ihnen danken.
Autorin: Verena Arnhold
Rhetorikmagazin, © Portraitfoto: Verena Arnhold
Verena Arnhold M. A. ist Sprach- und Sprechwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Körper- und Stimmbildung. Sie ist Geschäftsführerin des Weiterbildungsinstituts RHETORICA in Münster.
Verena Arnhold unterstützt ihre Kunden bei der kommunikativen Persönlichkeitsentwicklung, bietet Rhetorikseminare, Business- und Stimm-Coachings und hält Fachvorträge zum Thema Stimme. Basis hierbei sind aktuellste Erkenntnisse aus der Sprach- und Sprechwissenschaft, der Psychologie sowie den Neurowissenschaften.