Die Wirkung von Reden messen: Eine Grundsatzrede beim Verband der Redenschreiber deutscher Sprache

Wie sieht die Arbeit von Redenschreibern aus und wie kann das Ergebnis – die Wirkung der Reden – festgestellt werden? Die Antworten könnten Hinweise darauf geben, wie sich Unternehmen oder z. B. politische Parteien in der Öffentlichkeit effektiver präsentieren können.  Informationen dazu und Einblicke in die Praxis des Redenschreibens gab es am 5. Mai 2012 bei der Mitgliederversammlung des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS).

Veranstaltungsort war das Maximilianeum in München, Sitz des Bayerischen Landtags. Hauptprogrammpunkt des Vormittags war die Rede von Katharina Ahrens, Senior-Redenschreiberin bei Siemens. Ihr Redetitel: „Alles nur heiße Luft? – Über die Messbarkeit der Wirkung von Reden.“

Welche Bedeutung Reden für das Unternehmen haben, ergibt sich bereits aus der Anzahl der Vollzeitredenschreiber. Mehr als 20 sind bei Siemens im Einsatz. Ihre Zielgruppen: Aktionäre, Analysten, Partner und Kunden.

Katharina Ahrens geht zunächst auf die Hintergründe des Redenschreibens im Unternehmen ein: Zunehmend werde gefragt, wofür die Firma stehe – oft auch von jungen Leuten. Ebenso wollten die Menschen wissen, wie man über das Thema Nachhaltigkeit denke und welche Traditionen der Konzern habe. Diese grundsätzlichen Fragen würden auch die Redeinhalte prägen.

Katharina Ahrens, Senior-Redenschreiberin, beim Verband der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS). Ihr Vortragsthema: Die Messbarkeit der Wirkung von Reden.

Was das Publikum nicht mehr hören wolle, seien reine Imagereden und Reden, mit denen ausschließlich Produktinformationen transportiert werden. Die Redner seien vielmehr gefordert, Markenwerte zu vermitteln. „Die Menschen wollen unsere Meinung zu verschiedenen Themen wissen, z. B. wie wir über die Energiewende denken.“ Reden würden daher für den öffentlichen Dialog und als Reputationsinstrument genutzt. 

Wie das Redenschreiben dabei konkret aussieht? Mancher mag sich den Beruf des Redenschreibers als einsame Tätigkeit vorstellen, bei der Blatt für Blatt nur getextet wird. Katharina Ahrens räumt Missverständnisse aus. Der Redenschreiber sei in die verschiedensten Bereiche eingebunden. Er stimme sich nicht nur mit dem Redner ab, sondern auch mit allen, die eine Veranstaltung vorbereiten, unter Umständen vom Betriebsrat bis hin zur Marketingabteilung. Denn es gehe nicht nur darum, den Redner zu unterstützen und das Publikum zu überzeugen, sondern auch darum, dass alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können.

Ein klarer Trend bei Rednern sei das Storytelling. Sie wollen wie Barack Obama kleine Geschichten über Veränderungen erzählen. Darauf sollten sich Redenschreiber einstellen.

Ebenso müssten sie den Redner auf unangenehme Äußerungen vorbereiten, die aus dem Publikum kommen könnten. Neben seinem Redetext erhalte der Redner daher eine Liste mit Antworten auf schwierige oder heikle Fragen.

Wenn die Wirkung einer Rede gemessen werden solle, stelle sich die Frage nach demjenigen, der bestimme, wie die Rede gewirkt hat. Ist es das Publikum? Sind es Youtube-Nutzer mit ihren Kommentaren oder Gefällt-mir- bzw. Gefällt-mir-nicht-Bewertungen? Oder ist es der Redner oder der Redenschreiber?

Für Reden gäbe es keine betriebswirtschaftlichen Leistungskennzahlen. Versuche man eine Analyse von Aufwand und Ertrag, stünden auf der einen Seite die eingesetzten Mittel: die Anzahl der Wörter einer Rede, die Arbeitsstunden, die an der Recherche beteiligten Kollegen und Experten, zusätzliche Dokumente, Honorare für freie Redenschreiber, Veranstaltungskosten und so weiter. Welche dieser Mittel könnten für die Bewertung relevant sein?

Und was würde auf der anderen Seite stehen? Applausmomente und Applauslänge? Die Zahl der Zuhörer zu Beginn und am Ende einer Rede? Der Aktienkurs nach einer Rede vor Analysten? Die Häufigkeit der Berichterstattung in den Medien? Die Anzahl der Youtube-Downloads?

Fakt sei: Die Qualität einer Rede sei schwer zu beurteilen. Wichtige Hinweise gäben Rückmeldungen des Redners an den Redenschreiber, Zuhörerfragebögen bei Veranstaltungen sowie Analysten- und Medienberichte. Und immer wichtiger: Rückmeldungen in den sogenannten sozialen Medien. Die Wirkung auf das konkrete Verhalten, so Ahrens, sei jedoch nicht messbar. Sie fragt: „Würde jemand eine Dampfturbine kaufen, nur weil er eine Rede gehört hat?“

Zweifellos seien Reden ein wichtiges Kommunikationsinstrument. Wie sich dieses auf das Unternehmen und sein Image in den Medien auswirkt, werde bei Siemens durch Erhebungen ermittelt, die auf einer Mischung aus objektiven und subjektiven Kriterien basierten. Entscheidend für die Aussagekraft der Untersuchungen sei dabei die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen wie z. B. dem Marketing, das den Redenschreibern Informationen über Reaktionen liefern könne. Integrierte Kommunikation sei daher für Redner und Redenschreiber von großer Bedeutung.

Rhetorikmagazin
© Christian Bargenda, rhetorikmagazin.de


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