Erfahrungen als Redner in der Politik: Christian Ude beim Verband der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS)

Wie lernt ein Oberbürgermeister seine Reden? Wie arbeiten seine Redenschreiber? Welche Reden hält er frei und welche liest er ab? Worauf kommt es bei einer Bierzeltrede an? Und welche Bedeutung hat die Rede heutzutage für den Erfolg eines Politikers? Christian Ude, Münchens OB, hat es den Mitgliedern des VRdS erzählt.

Vor renommierten Rhetorikexperten eine Rede zu halten, erfordert Selbstbewusstsein und/oder Erfahrung. Wenn sich die Mitglieder des Fachverbands der Redenschreiber treffen und rhetorische Meister wie Dr. Vazrik Bazil, Präsident des VRdS, und Thilo von Trotha, ehemals Redenschreiber von Helmut Schmidt, im Publikum sitzen, mag manchen der Mut verlassen. Christian Ude hingegen nimmt die Einladung zur Versammlung am 5. Mai 2012 an und beginnt seine Rede sinngemäß wie folgt: Er habe am Vormittag bereits bei der Hauptversammlung eines anderen Vereins gesprochen, und nachdem sein Tag ohnehin schon verdorben sei, habe er die Einladung des VRdS spontan angenommen.

Dr. Vazrik Bazil, Präsident des VRdS, und Christian Ude, Münchens Oberbürgermeister, bei der Mitgliederversammlung des VRdS

Zu dieser ironischen Einleitung muss man wissen: Ude ist nicht nur Oberbürgermeister, sondern auch Kabarettist und Autor satirischer Bücher. Entsprechend heiter war die Reaktion der Verbandsmitglieder auf seine gesamte Rede. Selbstverständlich in geschliffener Sprache, an den entscheidenden Stellen körpersprachlich untermalt, stimmlich variabel. Spannungsbögen und Pointen makellos. Er kann sich trauen, auch vor kritischen Menschen zu sprechen.

Wie bereitet er sich darauf vor? Im Gespräch mit dem Publikum erzählt Christian Ude, worauf es für ihn beim Redenhalten ankommt.

Die Rede von OB Christian Ude mit Anleihen aus seinem Kabarettprogramm

Als Oberbürgermeister halte er oft drei oder vier Reden am Tag. Dabei ziehe er es vor, von seinen Redenschreibern maximal zwei Seiten Fakten geliefert zu bekommen, mit Zitaten einschließlich Quellenangaben. Stichworte, Namen und Daten lerne er auf den Autofahrten auswendig. „Es soll so viel wie möglich frei gesprochen werden“, sagt Ude. „Politiker, die erkennbar nur ablesen, machen keine gute Figur.“

Thilo von Trotha berichtet darauf von seiner Erfahrung als Redenscheiber des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Dieser habe stets einen vorformulierten Redetext verlangt. Er habe ihn anschließend in seine eigene Sprache übersetzt und quasi Anleihen bei seinen Redenschreibern gemacht. Schmidt habe außerdem bei der Zusammenarbeit mit seiner Redenschreibergruppe – der „Schreibstube“ – sehr viel gelernt. Die Redeinhalte, bei denen kein Widerspruch von den Redenschreibern kam, habe der Bundeskanzler übernommen.

Christian Ude erläutert, es gäbe durchaus Redentexte, die vollständig formuliert und schriftlich vorab geliefert werden müssten. Dies seien beispielsweise Haushaltsreden oder Reden bei Veranstaltungen zu sensiblen Themen. Hier würde er die Reden jedoch selbst diktieren, um seine individuelle Sprache und z. B. seinen eigenen Satzbau beizubehalten.

Dr. Vazrik Bazil im Gespräch mit dem Münchner Oberbürgermeister

Redenschreiben, so Ude, sei Teamarbeit, bei der eine sehr enge Zusammenarbeit und Beratung notwendig seien. Auf städtischer Ebene habe er – seit 1993 Oberbürgermeister – mehr Freiheiten und kenne sich sehr gut aus, beste Voraussetzungen für freie Reden. Dennoch habe es Bereiche gegeben, in denen er anfangs Schwierigkeiten gehabt habe. Er habe in seinen ersten Jahren als OB keine Bierzeltreden halten können. Diese seien eine enorme Herausforderung. „Zahlen, Relativsätze und lange Gedankengänge haben im Bierzelt keine Chance.“ Gefragt seien stattdessen Aussagen, die in einen einzigen Satz passen, sowie Bilder. Dass Ude besondere Redesituationen wie diese inzwischen beherrscht, ist auch über München hinaus bekannt.

Ob er seine Reden auf dem Weg in die Landespolitik anders halte als bisher?

Christian Ude beantwortet die Fragen der Mitglieder des Fachverbands der Redenschreiber

Auch wenn sich die Themen ändern, müsse er weiterhin er selbst sein. „Echt zu sein, ist in Zeiten der Politikverdrossenheit besonders wichtig.“ Das Publikum ändere sich. Dabei müsse er auch darauf achten, dass er bei seinen Zuhörern nichts voraussetze, was diese eventuell nicht wissen.

Generell nähme die Bedeutung der Redenschreiber auf Landesebene zu – noch mehr im Bund sowie auf internationalem Parkett. Hier sei eine wesentlich intensivere Zusammenarbeit von Redner und Redenschreiber notwendig. Ude sagt: „Gute Reden zu halten, ist für den Erfolg eines Politikers entscheidend. Redetalent und Rhetorik sind aber zweierlei. Scharfe Formulierungen alleine sind kein Erfolgsgarant.“ Redetalent und Authentizität seien unerlässlich. Und durch Youtube und ähnliche Plattformen seien Redner präsenter denn je. „Die neuen Medien multiplizieren heute die Wichtigkeit der Rede.“

Rhetorikmagazin
© Christian Bargenda, rhetorikmagazin.de


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