Impulse von Rednern für Redner: Perspektivenwechsel der Rhetorikprofis

Auf der Bühne waren Größen aus Politik, Wirtschaft und Comedy – von Christian Wulff, Bundespräsident a. D., über den Wirtschaftsexperten Thomas Lünendonk bis Vince Ebert, Physiker und Kabarettist. Am 11. und 12. September 2015 hat sich in München die deutschsprachige und internationale Rednerszene getroffen. Bei der GSA-Convention, dem jährlichen Konvent der German Speakers Association (GSA), gab es in diesem Jahr Impulsvorträge und Workshops zum Motto „Perspektivenwechsel“.

Beim Galaabend des Konvents wurde unter anderem der Deutsche Rednerpreis verliehen: an die kenianische Germanistin Dr. Auma Obama, Schwester des US-Präsidenten Barack Obama.

Matthias Pöhm: Wie Wirkung entsteht oder verlorengeht

In der ersten Impulsrede der GSA-Convention ging es um Powerpoint als Wirkungsverhinderer. Das Kriterium Nummer 1 für eine Rede oder Präsentation, so der Rhetorikprofi Matthias Pöhm, sei die Wirkung. Er meint: Menschen überzeugen ein Publikum, nicht die technischen Hilfsmittel. Letztere würden eher dafür sorgen, dass der Energiefluss zwischen Redner und Publikum nicht mehr gegeben sei. Darüber hinaus dürften Folien nicht selbsterklärend sein, sonst wäre der Redner überflüssig.

Sympathische Rhetorik: Dr. Stefan Frädrich, Erfinder von Günter, dem inneren Schweinehund, führte durch das Programm der GSA-Convention 2015.
Freundliche Rhetorik: Dr. Stefan Frädrich, Erfinder von Günter, dem inneren Schweinehund, führt durch das Programm der GSA-Convention 2015.

Im ausführlichen Interview erklärt Matthias Pöhm unter anderem, warum es besser sei, Inhalte vor dem Publikum zu entwickeln statt nur Ergebnisse darzustellen.

Thomas Lünendonk: Der Rednermarkt und die Frage nach dem Honorar

Thomas Lünendonk, Unternehmensberater und Herausgeber der renommierten „Lünendonk-Studien“, berichtete über den Redner- und Weiterbildungsmarkt. Dabei war die Vorrede von Matthias Pöhm für Lünendonk eine Steilvorlage für manchen humoristischen Querverweis auf das Pöhm’sche Powerpoint-Thema. Denn – wie von einem Experten seiner Branche zu erwarten – hielt Lünendonk einen Powerpointvortrag. Auch wenn es um Zahlen ging, hatte er mit seinem freundlichen und aufrichtigen Humor das Publikum auf seiner Seite.

Als Wirtschaftsexperte gebucht, aber einer der besten humoristischen Redner der GSA-Convention: Thomas Lünendonk erklärt den Rednermarkt.
Als Wirtschaftsexperte gebucht, aber einer der besten humoristischen Redner der GSA-Convention: Thomas Lünendonk erklärt den Rednermarkt.

Das Fazit Thomas Lünendonks: Für den deutschsprachigen Rednermarkt gebe es keine validen Daten. In den 33,5 Mrd. Euro, die Unternehmen im deutschen Weiterbildungsmarkt investieren, seien beispielsweise auch Arbeitszeitausfälle von Schulungsteilnehmern, selbstgesteuertes Lernen und internes Weiterbildungspersonal eingerechnet. Versuche man alles herauszurechnen, um auf den Betrag zu kommen, den professionelle Redner einnehmen, blieben 7,1 Mrd. Euro – diese teilen sich rund 21.700 Einrichtungen. Was es zusätzlich schwer mache, den Rednermarkt zu beurteilen: Das Redenhalten sei für die meisten Profiredner ein „Auch-Geschäft“ neben Coaching, Beratung und z. B. Bücherschreiben.

Zum Amüsement aller Gäste: Karsten Brocke erläutert einer Teilnehmerin sehr plastisch, wie Verkaufen funktioniert und wie nicht.
Zum Amüsement aller Gäste: Karsten Brocke erläutert einer Teilnehmerin sehr plastisch, wie Verkaufen funktioniert und wie nicht.

Der Markt sei, so Lünendonk, „so groß, wie Du ihn für Dich machst“. Er empfahl den Rednern eine transparente Preisliste und in jedem Fall Preisintegrität.

Knacki Deuser: Mehr Mut zum Humor

Er hatte um das Jahr 2000 ein neues Comedyformat erfunden: Klaus-Jürgen „Knacki“ Deuser ist der Initiator von Nightwash, einer Fernsehshow im WDR und im Ersten, die in den ersten Jahren in einem Waschsalon aufgezeichnet wurde. Comedians wie Mario Barth und Hennes Bender hatten bei ihm ihre ersten Fernsehauftritte. Bei der GSA-Convention meint Knacki Deuser, Humor sei kein „genetischer Defekt“, sondern setze echte Arbeit und z. B. eine bestimmte Sozialisierung voraus. Die drei Bestandteile, die man sich erarbeiten müsse, um Humor einsetzen zu können:

Einer, der viel zu sagen hat: Klaus-Jürgen „Knacki“ Deuser, Erfinder der Fernsehsendung Nightwash, erklärt den Gästen Humor.
Einer, der viel zu sagen hat: Klaus-Jürgen „Knacki“ Deuser, Erfinder der Fernsehsendung Nightwash, erklärt den Gästen Humor.

Erstens den Inhalt – „Ohne Idee geht nichts!“. Zweitens die Form, die sich durch Machen und Wiederholen verbessern ließe. Und drittens erfordere Humor Mut. Zum einen sei er immer ein Ausrufezeichen gegen Angst, und zum anderen meinte Deuser: „Wenn ich mich nicht traue, den Gag mit Mut zu machen, Mut auszuhalten, dann funktioniert Humor nicht.“

Christian Wulff: Wenn die Meinung der Masse kippt

Einer der Redner der GSA-Convention war der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff. Entsprechend dem Thema der GSA-Convention, „Perspektivenwechsel“, erzählte er davon, wie er und seine Familie die sogenannte Wulff-Affäre erlebten. Sie begann 2011 mit dem Vorwurf, den niedersächsischen Landtag bezüglich der Finanzierung seines Eigenheims unzutreffend informiert zu haben. Anschließend wurde ihm vorgeworfen, die Berichterstattung darüber zu verhindern. Danach wurden immer neue Vorwürfe erhoben.

Perspektivenwechsel mit Christian Wulff: Der ehemalige Bundespräsident erzählt aus eigener Erfahrung über Empörungswellen und die Macht der Medien.
Perspektivenwechsel mit Christian Wulff: Der ehemalige Bundespräsident erzählt aus eigener Erfahrung über Empörungswellen und die Macht der Medien.

Wichtig sei, so Wulff, sich nicht als Opfer sondern weiterhin als Akteur zu sehen. Es ginge darum, weniger darüber nachzudenken, was andere sagen oder schreiben. Vielmehr sei entscheidend, mit sich selbst im Reinen zu sein. Was die „Causa Wulff“ betreffe, meinte er, sei die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben gewesen.

Nicht nur in seinem Fall, sondern sehr oft fände in der Öffentlichkeit ein Schwarz-Weiß-Denken statt. Dies betreffe beispielsweise auch die aktuelle Asyl- und Flüchtlingsdebatte. Häufig würden die Extrempositionen in die eine und in die andere Richtung betont, der richtige Weg liege aber meist dazwischen. Oft würden zwischen Schwarz und Weiß die Grautöne übersehen.

Dass es am vernünftigen „Maß an Mitte“ fehle, führe, so Wulff, auch dazu, dass sich immer weniger Menschen in die Politik trauten. Die Anonymität des Internets begünstige die Möglichkeit, dass Empörungswellen losgetreten und verstärkt würden, die nicht mehr kontrollierbar seien.

Ob Ihr Nachbar oder Kollege ein Psychopath, eine Pfeife oder ein „Performer“ ist: Suzanne Grieger-Langer erzählt es mit exzellenter Rhetorik.
Ob Ihr Nachbar oder Kollege ein Psychopath, eine Pfeife oder ein „Performer“ ist: Suzanne Grieger-Langer erklärt es mit exzellenter Rhetorik.

Wulff sagte: „Wem es in der Küche zu heiß wird, wird nicht mehr Koch.“ Dieses Bild lasse sich auf die Politik anwenden und führe dazu, dass nur noch Menschen mit einer Egal-Haltung dem enormen Druck von Vorverurteilungen und Empörungswellen standhalten könnten – was wiederum zur Folge hätte, dass wir nur noch abgebrühte Politiker hätten. Dies sei wohl nicht erstrebenswert. Wir bräuchten ein Umdenken.

Auffällig war die veränderte Rhetorik des ehemaligen Bundespräsidenten. Während er in seiner Amtszeit oft hölzern und kühl wirkte, schien er auf der Bühne der GSA-Convention sehr gelassen zu sein. Seine Rede war gut vorbereitet und machte – anders als manche frühere Rede – den Eindruck, aus einem Guss zu sein. Ein Grund für die sympathische Rhetorik mag wohl sein, dass Christian Wulff heute nicht mehr unter dem enormen Druck der Öffentlichkeit steht.

Ehrungen für renommierte Redner

Bitterböser Perspektivenwechsel: Physiker und Kabarettist Vince Ebert erläutert seine wissenschaftliche Sicht der Dinge.
Bitterböser Perspektivenwechsel: Physiker und Kabarettist Vince Ebert erläutert seine wissenschaftliche Sicht der Dinge.

Im Rahmen des Galaabends der GSA-Convention 2015 wurde der Deutsche Rednerpreis an Frau Dr. Auma Obama verliehen. GSA-Past-President Prof. Dr. Lothar Seiwert, Initiator des Deutschen Rednerpreises, sagte zur Entscheidung des Gremiums: „Dr. Auma Obama mit dieser Auszeichnung zu bedenken, war eine mehr als adäquate Wahl. Sie ist eine großartige Frau, die ihre Stimme erhebt.“ Andreas Buhr, Präsident der GSA von 2013 – 2015, meinte: „Mit ihren Vorträgen zu den Themen Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und gelebte Selbstverantwortung schafft es Auma Obama, ihre Zuhörer zu berühren, sie zum Nachdenken anzuregen und zum Engagement zu motivieren. Das hat uns begeistert und davon überzeugt, in ihr eine mehr als würdige Preisträgerin für den Deutschen Rednerpreis 2015 gefunden zu haben.“

Die Laudatio auf Dr. Obama hielt die sichtlich gerührte Sabine Asgodom. In die „Hall of Fame“ der German Speakers Association aufgenommen wurden die Managementberaterin und mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin Anne M. Schüller sowie der erfolgreiche Redner, Unternehmer und Autor Boris Grundl.

Boris Grundl: Einer der gefragtesten Managementtrainer und Vortragsredner im deutschsprachigen Raum, jetzt in der Hall of Fame der German Speakers Association. V. l. n. r.: Bodo Schäfer, Boris Grundl, Andreas Buhr.
Boris Grundl: Einer der gefragtesten Managementtrainer und Vortragsredner im deutschsprachigen Raum, jetzt in der Hall of Fame der German Speakers Association. V. l. n. r.: Bodo Schäfer, Boris Grundl, Andreas Buhr.
Anne M. Schüller: Europas führende Expertin für Kundenloyalität und Empfehlungsmarketing, ebenfalls aufgenommen in die Hall of Fame der GSA. V. l. n. r.: Andreas Buhr, Anne M. Schüller, Laudatorin Dr. Silvia Löhken.
Anne M. Schüller: Europas führende Expertin für Kundenloyalität und Empfehlungsmarketing, ebenfalls aufgenommen in die Hall of Fame der GSA. V. l. n. r.: Andreas Buhr, Anne M. Schüller, Laudatorin Dr. Silvia Löhken.
Martin Laschkolnig, neuer GSA-Präsident 2015 bis 2017 (links) und Andreas Buhr, Präsident der GSA von 2013 bis 2015 bei der Schlüsselübergabe. Laschkolnig zu seinem Amtsantritt: „Ich möchte den gemeinsamen Spirit, der uns Redner in der ganzen Welt verbindet, in den Mittelpunkt rücken.“
Martin Laschkolnig, neuer GSA-Präsident 2015 bis 2017 (links) und Andreas Buhr, Präsident der GSA von 2013 bis 2015 bei der Schlüsselübergabe. Laschkolnig zu seinem Amtsantritt: „Ich möchte den gemeinsamen Spirit, der uns Redner in der ganzen Welt verbindet, in den Mittelpunkt rücken.“
Prof. Dr. Lothar Seiwert, Dr. Auma Obama, Andreas Buhr, Sabine Asgodom: Verleihung des Deutschen Rednerpreises 2015
Prof. Dr. Lothar Seiwert, Dr. Auma Obama, Andreas Buhr, Sabine Asgodom: Verleihung des Deutschen Rednerpreises 2015

Lesen Sie auch das Interview des Rhetorikmagazins mit Dr. Auma Obama über ihre Art, vor Publikum zu sprechen.

© Rhetorikmagazin, Christian Bargenda
© Fotos „Hall of Fame“ (Anne M. Schüller, Brois Grundl) und Schlüsselübergabe:
Studio Hellhörig / J. Wieland
© Alle weiteren Fotos: Rhetorikmagazin


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