Ein Interview mit dem Buchautor und Experten für Veränderung und Potenzialentfaltung Ilja Grzeskowitz.
– Herr Grzeskowitz, in Ihrem Buch „Attitüde“ beschäftigen Sie sich mit der inneren Haltung von Menschen. Gleichzeitig sind Sie Redner und stehen regelmäßig vor Publikum. Mit welcher inneren Haltung sollte ein Redner auf die Bühne gehen, wenn er sein Publikum überzeugen will?
Ein guter Redner weiß, um wen es in seinem Vortrag geht: Um seine Zuhörer. Deshalb sollte der Fokus auch ausschließlich darauf liegen, dem Publikum viele wertvolle Informationen und Impulse zu geben. Die Grundlagen für diese Attitüde werden gelegt, bevor der Redner die Bühne betritt. Er sollte von sich, seiner Botschaft und seiner Rhetorik total überzeugt sein und keine Zweifel haben. Auf diese Weise sind die verbale und die nonverbale Kommunikation im Einklang und man wirkt als Redner sehr kongruent und authentisch. Wenn ein Redner mit der inneren Einstellung „ich stehe hier für mein Publikum und will die beste Rede halten, die ich heute geben kann“ auf die Bühne tritt, spüren seine Zuhörer dies unbewusst und nehmen ihn umso positiver auf. Diese Art der Attitüde wirkt automatisch!
Haben Sie diese Attitüde trainiert, oder ist sie eine Sache der Persönlichkeit bzw. des Charakters?
Auch wenn ich von meiner Persönlichkeit her schon immer jemand war, der gerne vorangeht und Verantwortung übernimmt, so habe ich mir diese Attitüde im Laufe der Zeit Schritt für Schritt angeeignet. Als ich vor über 10 Jahren zum ersten Mal vor über 250 Leuten eine Rede hielt, war diese ein komplettes Desaster. Ich war unsicher und ausschließlich mit mir und meinen Unterlagen beschäftigt.
Als dann die ersten Zuhörer gähnten und einige sogar den Saal verließen, wurde ich noch nervöser. Dann traf ich eine Entscheidung. Ich warf meine komplette Vorbereitung über Bord und begann, frei und aus dem Bauch heraus zu sprechen. Ich überlegte mir, in welchem Zustand das Publikum am Ende sein soll und wie ich das am besten hinbekommen würde. Auf einmal hörten die Leute nicht nur zu, sondern waren begeistert. Meine Attitüde hatte mich „gerettet“ und seit diesem Tag arbeite ich täglich daran, meine innere Haltung noch besser und durchgängiger werden zu lassen.
Kann es sein, dass der äußere Anschein trügt und die innere Haltung eine ganz andere ist, dass eine bestimmte Attitüde also nur vorgespielt wird? Bei welchen Anzeichen sollten Zuhörer skeptisch werden?
Ich persönlich merke es mittlerweile sehr schnell, wenn eine Attitüde nur aufgesetzt ist und wie eine schlecht sitzende Maske getragen wird. Menschen wirken immer dann besonders authentisch und überzeugend, wenn ihre Worte und ihre Taten übereinstimmen. Und umgekehrt gilt dies natürlich auch. Wenn jemand beispielsweise über Motivation spricht, selber aber eher gelangweilt oder phlegmatisch wirkt, dann passt das nicht zusammen.
Neben einem gut funktionierenden Bauchgefühl ist vor allem die Körpersprache ein ausgezeichneter Indikator für mögliche Inkongruenzen. Die Physiologie eines Menschen zeigt uns in jeder Sekunde, was in ihm vorgeht. Wenn Ihnen also in nächster Zeit jemand begegnet, der ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter macht, aber behauptet, „er freue sich mehr innerlich“, dann sollten Sie skeptisch werden. Denn wer sich innerlich freut, der zeigt dies auch ganz unbewusst mit seinem Körper.
In Ihrem Buch schreiben Sie „Überprüfen Sie Ihre Sprache“. Wirkt sich die innere Haltung auf die Sprache aus, oder ist es eher so, dass die Sprache sich auf die Attitüde auswirkt?
Sprache wird nicht umsonst als die Kleidung der Gedanken bezeichnet. Und wir können entweder im Jogginganzug oder im Maßanzug durchs Leben gehen. Mit Sprache können Wahlmöglichkeiten ausgeschlossen, Lösungen verworfen und Probleme zelebriert werden. Sprache kann aber auch Türen öffnen, Möglichkeiten schaffen und das gesamte Leben bunter machen. Mit unseren Worten beschreiben wir unser inneres Erleben und kreieren unsere gesamte Realität. Wie wir mit uns und anderen reden, hat also eine große Auswirkung auf unsere innere Haltung. Aber natürlich hat auch die Attitüde wiederum einen großen Einfluss auf die Sprache. Es ist eine gegenseitige Wechselwirkung, die bei regelmäßigem Training zu einer positiven Spirale werden kann.
Ein großer Redner ist Barack Obama. In Ihrem Buch gehen Sie auf dessen berühmte Yes-we-can-Rede ein. Warum haben Sie diese Rede als Beispiel gewählt?
Ich höre oft: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Aber ein einzelner Satz kann die Welt aus den Angeln heben. Obamas Yes-we-can-Rede war ein solcher Moment. Mit diesen drei Worten hat er einer ganzen Nation Hoffnung gegeben und eine lang verschollene Stärke wieder zum Leben erweckt: Den Glauben an sich selbst und an die eigenen Stärken. Aber ich habe die Rede noch aus einem anderen Aspekt als Beispiel in mein Buch aufgenommen. Sie zeigt nämlich sehr schön, dass es nicht nur darauf ankommt, was man sagt, sondern vor allem wie man es tut. Die Attitüde des Redners ist entscheidend.
Was verraten die sprachlichen Eigenheiten und die Körpersprache von Angela Merkel über ihre ganz persönliche Attitüde?
Wenn man die Bundeskanzlerin Angela Merkel von heute mit der Umweltministerin Angela Merkel aus der Ära Helmut Kohl vergleicht, dann finde ich vor allem eines erwähnenswert:
Sie hat Ihre Attitüde, Ihre Sprache und Ihre nonverbale Kommunikation nicht dem Zufall überlassen, sondern einem jahrelangen Training unterzogen. Sie ist eine Politikerin, die sich Ihrer Worte und Wirkung sehr bewusst ist. Auf mich wirkt sie sehr kontrolliert und abwägend.
Im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger Gerhard Schröder, der oft sehr impulsiv und intuitiv war, überlegt sie sich jeden Satz, jede Aussage und jede Geste sehr genau. Nur in einer Umgebung vergisst auch die studierte Physikerin regelmäßig mögliche Interpretationen und Auswirkungen Ihrer Körpersprache: Im Fußballstadion, wenn Sie als Fan Nummer 1 mit der deutschen Nationalmannschaft fiebert. Und wie ich vorhin schon erwähnte: Wenn die inneren Emotionen richtig intensiv sind, dann hilft kein Abwägen und keine rationale Kontrolle dieser Welt mehr. Dann müssen diese Emotionen einfach raus. Und ich finde Angela Merkel in diesen Situationen besonders sympathisch.
Zum Schluss: Was empfehlen Sie einem Redner konkret, um seine innere Haltung und damit seine Überzeugungskraft zu verbessern?
- Man sollte etwas zu sagen haben, und sich auch trauen, eine klare Meinung zu vertreten.
- Stärken stärken, Schwächen zu Stärken machen und sich ruhig trauen, Ecken und Kanten zu haben. Menschen mögen Menschen und keine Roboter.
- Schon vor dem Vortrag die Frage beantworten, in welchem Zustand sich die Zuhörer am Ende befinden sollen. Und dann mit Attitüde jede Minute genießen.
© Rhetorikmagazin, Christian Bargenda, Fotos: Ilja Grzeskowitz
Ilja Grzeskowitz gehört zu den Top-Speakern der neuen Generation, er ist mehrfacher Autor, Trainer und Lehrbeauftragter an der Berlin School of Economics and Law. Er war jüngster Geschäftsführer Deutschlands eines großen Handelskonzerns und leitete unterschiedliche Kaufhäuser in der Größe mittelständischer Unternehmern. Um erfolgreich sein zu können, musste er schnell in der Lage sein, seine Mitarbeiter zu führen, zu fördern und das riesige Potenzial zu nutzen, dass in den Köpfen und Herzen schlummert.
Seit dieser Zeit gilt er als Vorreiter einer Leadership-Philosophie, die auf Persönlichkeit und einer positiv fokussierten inneren Haltung basiert. Mit der von ihm entwickelten A+ Attitude® versetzt er seine Kunden in die Lage, die vollen Ressourcen ihres Gehirns zu nutzen und unbewusste Potenziale zu aktivieren.