12 Tipps, wie Sie besser überzeugen: Was Sie von Medienexperten und Politikern lernen können

Es kommt nicht nur auf die besseren Argumente an. Wer die Meinung seines Publikums nachhaltig beeinflussen will, braucht außerdem gute rhetorische Fähigkeiten. Das ist immer wieder in Fernsehdebatten und bei TV-Duellen im Wahlkampf zu beobachten. Doch welche Faktoren zählen bei der rhetorischen Überzeugungsarbeit? Ein gutes Beispiel lieferte der „Debate Club“ des Nachrichtensenders CNN und der Unternehmensberatung Roland Berger. Die Analyse einer Debatte des Klubs zeigt, wie Meinungen beeinflusst werden können.

Erfahrene Medienleute überzeugten das Publikum, Experten aus der Politik zogen den Kürzeren

Dass die Medienleute besser abgeschnitten haben als die Politiker, hätte aber nicht sein müssen. Fachlich kompetent waren wohl alle Debattanten, inhaltliche Schwächen waren nicht das K.O.-Kriterium für die Politiker. Was sie wohl weniger beachtet haben als die Medienleute: Auch wenn jemand in seinem Thema fit ist, entscheidet über den Ausgang einer Debatte oft die persönliche Wirkung. Daher lohnt es sich, sich seiner Wirkung bewusst zu sein und sie zu steuern.

Sehen wir uns die Debatte von CNN und Roland Berger genauer an. Sie fand im September 2012 im Münchner TamS-Theater statt. Das Thema: „Facebook, Twitter & Co. – Fluch oder Segen für die Demokratie“. Vor Beginn wurde die Meinung des Publikums abgefragt. Das Ergebnis: Nur 18 Prozent sahen die neuen Medien als Fluch für die Demokratie an. Die Mehrheit war davon überzeugt, dass Facebook & Co. ein Segen für die Demokratie seien.

Nebenbei: Das Debattenthema beinhaltet zwar die Oderfrage „Fluch oder Segen für die Demokratie“, abgestimmt wurde aber mit Ja und Nein. Nein sollte für „Fluch“ stehen, Ja für „Segen“.

Renommierte Debattanten, strenge Regeln und ein deutliches Ergebnis

In der Nein-Mannschaft waren Eva Herman (Autorin und Moderatorin), John Friedmann (Schauspieler und Autor) und Mirko Lange (Kommunikationsexperte). Wichtig hierbei: Die Debattanten beider Seiten haben nicht unbedingt ihre eigene Meinung vertreten. Es ging vielmehr darum, zu demonstrieren, wie Debattieren und Überzeugungsarbeit funktionieren.

In der Ja-Mannschaft waren Christoph Giesa (Initiator der Bürgerbewegung für Joachim Gauck als Bundespräsident), Thomas Pfeiffer (Vorstandsmitglied von Bündnis 90/Die Grünen und Facebook-Programmierer) sowie Valentin Tomaschek (Gründer und Geschäftsführer des PolitCamp e. V.).

Souveräner Moderator des Abends: Der Journalist und Kommunikationsexperte Diethelm Straube.

Debattiert wurde in vier Runden. Es gab Anfangsplädoyers, eine Fragerunde, Reden zu bestimmten vom Publikum gewählten Schlagworten und Schlussplädoyers.

Die anschließende Abstimmung im Publikum ergab: Die Nein-Mannschaft konnte den Wert von 18 Prozent auf 49 Prozent steigern. Die Ja-Mannschaft hatte zwar mit 51 Prozent immernoch die Mehrheit der Zuschauer hinter sich. Gewonnen haben dennoch die Nein-Leute, denn ihnen ist es gelungen, das Publikum maßgeblich zu beeinflussen und viele der Zuhörer auf ihre Seite zu ziehen.

Wie konnte die Nein-Mannschaft so klar überzeugen?

Es war wohl eine Mischung aus Erfolgsfaktoren. Zu den Äußerlichkeiten: Rhetoriktrainer empfehlen, sich immer ein bisschen besser zu kleiden, als es der Anlass erfordert. Eva Herman und John Friedmann haben dies wohl am besten beachtet. Beide und auch Mirko Lange hatten ihre Körpersprache und ihre Mimik auch dann im Griff, wenn sie gerade nicht dran waren.

Die Ja-Mannschaft aus dem politischen Bereich war teilweise unruhig: Wenn die Debattanten nicht am Mikrofon waren, haben sie sich deutlich mehr bewegt und hatten fragende Blicke. Dabei hatten sie als Experten es gar nicht nötig, nervös zu wirken.

Expertentipp Nummer 1 für Ihre Debatten:

Achten Sie auf Ihre Körpersprache und Mimik auch dann, wenn sie nicht dran sind. Das Publikum beobachtet Sie auch in diesen Momenten genau. Mindestens unbewusst ziehen Zuhörer Schlüsse aus Ihrem Verhalten abseits des Mikrofons.

Eva Herman war mit dem Publikum immer in Kontakt

Sie sprach fast durchgängig aus der Sicht der Zuhörer. Ihre Sprache war gewählt, ihre Argumente waren schlüssig, sie war sehr schlagfertig. Trotz oder wegen ihrer langjährigen Erfahrung vor der Kamera blieb die Eva Herman authentisch. Während die Debattengegner sprachen, ließ Frau Herman ihre Mimik weiter sprechen (fragende Blicke, demonstratives Unverständnis für die Argumente der Gegner) – sehr gut.

Expertentipp Nummer 2 für Ihre Debatten:

Nehmen Sie die Sichtweise des Publikums ein oder gehen Sie darauf ein. Denn so können sich Ihre Zuhörer leicht mit Ihnen identifizieren und glauben Ihnen am ehesten.

Expertentipp Nummer 3 für Ihre Debatten:

Nutzen Sie den Blickkontakt mit dem Publikum und Ihre Mimik auch dann, wenn Sie nicht dran sind. So bleiben Sie die ganze Zeit mit dem Publikum im Dialog, auch wenn Ihr Debattengegner spricht.

Bei John Friedmann konnten sich die Zuschauer sicher fühlen

Vielleicht hat Friedmann nicht seine eigene Meinung vertreten. Doch als Medienprofi hatte er auch schwierige Situationen im Griff. Durch seine Medienerfahrung weiß er, auch mit großem Publikum souverän umzugehen. Das war sicherlich ein Vorteil, und er konnte damit vielleicht wettmachen, dass sein inhaltliches Konzept nicht ganz rund war.

Expertentipp Nummer 4 für Ihre Debatten:

Trainieren Sie intensiv, bis Sie sich vor Publikum sicher fühlen. Diese Sicherheit werden Sie ausstrahlen, was wesentlich dazu beiträgt, dass sich Ihre Zuhörer wohlfühlen können und Ihnen leichter vertrauen.

Mirko Lange hat mit Erfolg das getan, was jeder Redner und Debattant unbedingt tun sollte

Die Praxis zeigt immer wieder: Selbst wenn ein Debattant wenig Erfahrung als Redner oder in einem Themenbereich hat, kann er durch Fleiß viel wettmachen und gegen schlecht vorbereitete Experten gewinnen. Mirko Lange konnte aus dem Vollen schöpfen, denn er verließ sich nicht auf seine ohnehin vorhandene Erfahrung. Vermutlich hat er sich am besten auf die Debatte vorbereitet.

Expertentipp Nummer 5 für Ihre Debatten:

Investieren Sie sehr viel Zeit und Energie in Ihre Vorbereitung. Sprechen Sie mit Experten und mit Rhetorikberatern.

Gut, wenn Sie sich intern einig sind

Bei der Ja-Mannschaft schien es, als hätte sie sich im Vorhinein nicht oder nur wenig abgestimmt. Eine klare Debattenstrategie war nicht sichtbar. Die Debattanten verfügen zwar über umfassende Erfahrung in der Politik und in den neuen Medien – vielleicht mehr als ihre Gegner. Trotz guter Argumente ist dies beim Publikum nicht angekommen.

Expertentipp Nummer 6 für Ihre Debatten:

Stimmen Sie Ihre Strategie mit Ihren Mitstreitern ab. Wenn Ihr Vorgehen einheitlich ist und Ihre Inhalte sich gut ergänzen, können Sie besser überzeugen.

Wer die Verantwortung trägt und was Widersprüche bewirken

Auf der Seite der Politiker sind zwei wesentliche Fehler passiert. Zum einen: Als es um die Kritik an den schwer durchschaubaren Datenschutzeinstellungen bei Facebook ging, wurde den Anwendern die Verantwortung dafür gegeben, zu viele Daten preiszugeben. Facebook-Nutzer seien also selbst schuld, wenn sie vorschnell oder zu bereitwillig Informationen an Facebook herausrücken. Eine solch eindeutige Zuweisung der Verantwortung kommt nicht gut beim Publikum an. Die unmittelbaren Reaktionen waren hör- und sichtbar.

Zum anderen: Ebenso fatal in einer Debatte sind inhaltliche Widersprüche. Thomas Pfeiffer, ein echter Experte in Sachen Programmierung und Anwendung der neuen Medien, sagt in der Hitze des Wortgefechts, das Internet sei ein „rechtsfreier Raum“. Später, an anderer Stelle, sagt er das Gegenteil: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.“ Aufmerksame Zuhörer müssten das bemerkt haben. Ein Glücksfall für die Ja-Mannschaft, dass die Gegner diesen Lapsus nicht ausgenutzt haben. In Fernsehdebatten, auch z. B. in den TV-Duellen im US-Wahlkampf, werden Widersprüche gnadenlos ausgekostet, um schließlich die Meinung der Zuschauer in die gewünschte Richtung zu führen.

Expertentipp Nummer 7 für Ihre Debatten:

Geben Sie niemals denjenigen die Verantwortung im Sinne von „Schuld“, die Sie auf Ihre Seite ziehen wollen. Besser ist es, Verständnis zu zeigen und die Sicht Zuhörer einzunehmen, die Sie überzeugen wollen. (siehe Tipp Nr. 2).

Expertentipp Nummer 8 für Ihre Debatten:

Achten Sie unbedingt auf die Stringenz Ihrer Beiträge und lassen Sie sich nicht zu vorschnellen Äußerungen hinreißen. Gerade wenn eine Debatte hitziger wird, können Fehler passieren, die später Stimmen kosten.

Expertentipp Nummer 9 für Ihre Debatten:

Hören Sie Ihren Debattengegnern genau zu und weisen Sie auf Widersprüche hin. So können Sie dem Gegner in seiner Glaubwürdigkeit schaden und Ihre Überzeugungskraft stärken.

Thematische Nebelkerzen in Debatten können helfen, müssen es aber nicht

Schauspieler John Friedmann und Autorin Eva Herman, mit einer guten gemeinsamen Strategie

Die Medienleute hatten eine geschickte Taktik: Wahrscheinlich waren sie sich dessen bewusst, dass die meisten Zuschauer die neuen Medien für einen Segen für die Demokratie halten. Darum haben sie sich auf andere Themen fixiert – nicht etwa Demokratie, sondern vielmehr Datenschutzprobleme, Stalking und so weiter, also negativ besetzte Dinge im Zusammenhang mit Facebook & Co..

Das Publikum und die Debattengegner sprangen darauf an. Nach der gewonnenen Debatte hatte das Publikum jedoch bemängelt, dass oft am Thema Demokratie vorbeidiskutiert wurde.

Expertentipp Nummer 10 für Ihre Debatten:

Wenn Sie keine guten Argumente haben, kann es eventuell gelingen, mit argumentativen Nebelkerzen die Debatte in die von Ihnen gewünschte Richtung zu lenken. Entscheidend sind unter anderem eine gute Strategie und viel rhetorische Erfahrung. Es funktioniert aber nicht immer. Und: Diese Taktik ist nicht die aufrichtigste.

Expertentipp Nummer 11 für Ihre Debatten:

Wenn Sie in einer Debatte mit derartigen Ablenkungsmanövern Ihrer Gegner zu tun haben, seien Sie beharrlich. Argumentieren Sie nicht gegen die Scheinargumente der anderen, sondern legen Sie offen, dass dies nicht zur Debattenfrage gehört und lenken Sie die Debatte immer wieder zum Thema zurück. Wenn Sie vorher eine Strategie mit Ihren Mitstreitern abgestimmt haben, wird Ihnen dies leichter gelingen (siehe Tipp Nummer 6).

Alles in allem sah die Debatte aus wie ein Wettkampf zwischen Medienmenschen und Politikern, wobei Politiker ebenfalls oft in den Medien und vor Publikum auftreten. Die Politikermannschaft hatte sogar große Vorteile, nämlich eine sehr hohe Fachkompetenz und ein sehr authentisches Auftreten. Gerade mit ihrer Aufrichtigkeit, gepaart mit enormem Wissen, hätten Sie überzeugen. Dies konnten sie vermutlich aufgrund der ausführlichen Vorbereitung und der starken Strategie ihrer Gegner nicht ausspielen.

Expertentipp Nummer 12 für Ihre Debatten:

Wenn Sie alle anderen Tipps beherzigt haben, bleiben Sie unbedingt authentisch. Am besten überzeugen Sie, wenn Sie dem Publikum Ihre eigene Meinung und Ihre Persönlichkeit zeigen.

Rhetorikmagazin
© Christian Bargenda, rhetorikmagazin.de


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