Abwertung der deutschen Sprache durch die TU München: Uni-Präsident führt Kandidatenliste der „Sprachpanscher“ an

Wolfgang Herrmann, Präsident der TU München, hat 2015 gute Chancen, zum Sprachpanscher des Jahres gewählt zu werden. Wahlberechtigt sind die rund 36.000 Mitglieder des Vereins Deutsche Sprache e.V. (VDS). Seit 17 Jahren zeichnet der Verein mit diesem wenig schmeichelhaften Titel Personen oder Institutionen aus, die in besonders augenfälliger Weise das Deutsche als Kultursprache demontieren oder durch Vermischen mit überflüssigen Anglizismen entwerten.

Herrmann kam 2015 auf die Kandidatenliste, weil er die Masterstudiengänge seiner Universität künftig nur noch auf Englisch anbieten will und so dabei hilft, Deutsch als ernstzunehmender Wissenschaftssprache zu schaden.

Der TU-Präsident argumentiert für die englische Sprache regelmäßig mit der Internationalisierung. Über die deutsche Sprache sagt er in einem Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT: „Dass in den meisten Studiengängen noch Deutsch die Unterrichtssprache ist, halte ich für das Schlüsselproblem bei der Internationalisierung.“

Dass deutsche und ausländische Studenten der TU München die Masterstudiengänge nur noch auf Englisch angeboten bekommen sollen, fördert jedoch nicht die Internationalisierung sondern die Anglisierung.

Die Bologna-Erklärung fordert explizit, dass die Vielfalt der Kulturen, Sprachen und Bildungssysteme geachtet wird – von einer Anglisierung der Wissenschaftssprache oder englischen Bezeichnungen der Studienabschlüsse ist nicht die Rede.

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat sich in ihrer Empfehlung zur „Sprachenpolitik an den deutschen Hochschulen“ dafür ausgesprochen, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene in der Wissenschaft Mehrsprachigkeit zu fördern. Denn die Sprachenvielfalt solle, laut HRK, unter anderem zum Erhalt des Deutschen als Wissenschaftssprache beitragen.

Unabhängig davon stellt sich die schlichte Frage: Ist es möglich, in einer fremden Sprache genauso gut zu denken, Ideen zu entwickeln und kreativ zu forschen wie in der eigenen?

Gedankliche Präzisierung – notwendig z. B. im Zusammenhang mit der Formulierung und Überprüfung von Hypothesen – geschieht am effektivsten in der Muttersprache. Deutsche Dozenten können komplexe Sachverhalte auf Englisch in der Regel weniger genau darstellen. Nur 11 % der Studenten geben in einer Studie an, dass sie englische Fachtexte „sehr gut“ verstehen.

Auch wenn Englisch für die internationale Kommunikation wichtig sein mag: Die meisten Wissenschaftler mit Muttersprache Deutsch, aber Mastervorlesungen auf Englisch werden spätestens beim tieferen Austausch mit britischen, US-amerikanischen, australischen und kanadischen Kollegen merken, wie sehr sie ihnen dadurch unterlegen sind.

Im Übrigen: Es gibt Fächer, bei denen eine Umstellung aufs Englische völlig sinnlos erscheint. Ein Studentenvertreter der TU München nennt als Beispiel das Bauingenieurwesen, bei dem fast ausschließlich mit deutschen Normen gearbeitet werde.

Alles in allem: Auf die Vorteile der Muttersprache freiwillg oder unfreiwillig zu verzichten, bedeutet die Schwächung der eigenen Position. Der Verzicht führt zudem zu psychologischen Nachteilen und gibt anderen die Möglichkeit, Sprache als Machtinstrument zu nutzen.

Ein weiterer Kandidat bei der Wahl zum Sprachpanscher 2015 ist der Deutsche Leichtathletikverband. Als einzige Dachorganisation des Deutschen Olympischen Sportbundes ließ er bei den Olympischen Spielen in London 2012 in „Germany“- statt „Deutschland“-Trikots antreten und wiederholte dies bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Moskau 2013 sowie bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Zürich 2014.

Ebenfalls auf dem Stimmzettel des VDS finden sich unter anderem der Oberbürgermeister der Stadt Mainz, Michael Ebling – er kämpft mit dem Spruch „Respect the City. Respect Mainz.“ für mehr Sauberkeit seiner Stadt –, und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Er hat ein Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendung im Gesundheitswesen, oder wie er es nennt: „E-Health-Gesetz“, auf den Weg gebracht.

Die Wahl läuft bis zum 29. August 2015. Zu den bisherigen Sprachpanschern des Jahres zählen die Bahnchefs Hartmut Mehdorn und Johannes Ludewig, die Politiker Günther Oettinger und Klaus Wowereit („be Berlin“), Ex-Postchef Klaus Zumwinkel, Ex-Telekom-Chef René Obermann und Obermanns Vorvorgänger Ron Sommer, der den Reigen der Sprachpanscher im Jahr 1998 eröffnet hatte.

Rhetorikmagazin
© Christian Bargenda, rhetorikmagazin.de


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